Ich sah es von oben, es schaute freundlich zu mir hoch und lächelte. Mein Inneres Kind lag vor mir auf dem Bauch. Es war ein schöner, warmer Sommertag. Einer von den Tagen, an denen die ganze Welt in tiefem Frieden zu sein scheint. Ein Tag, an dem man sich sicher ist, dass alles in bester Ordnung ist und es auch für immer so bleiben wird.

Ich konnte die unausgesprochene Einladung meines Inneren Kindes spüren: Ich sollte mich zu ihm legen. Ich tat es, legte mich auch auf den Bauch und bemerkte dabei, dass vor uns, direkt vor unserer Nase, eine Pfütze war. Mein Inneres Kind schaute auf die Pfütze und nahm seinen Blick nicht mehr von ihr. Der Himmel spiegelte sich darin. Er war strahlend blau, so wunderschön, mit ein paar weißen, bauschig verspielten Wölkchen als Schmuck.

Wahrheit Inneres Kind

Ja, die Welt war in bester Ordnung in diesem Moment.

Eine Libelle kam angeflogen, streifte graziös die Oberfläche des Wassers und setzte ihren Flug fröhlich fort. War das eine kurze Begrüßung? Mein Inneres Kind lächelte. Ich sah, wie das Wasser in der Pfütze sich bewegte. Es waren durch die Berührung der Libelle Ringe entstanden und der Himmel in der Pfütze fing an zu pulsieren. Nach einer Zeit wurde die Wasseroberfläche wieder ganz ruhig. Nichts geschah, der Frieden umhüllte wieder alles, wie eine grenzenlose Umarmung. Ich und mein Inneres Kind lagen einfach da, es gab nichts zu sagen.

Langsam regte sich ein Wind, das Rascheln der Bäume mischte sich in die Stille, wie ein leises Flüstern. Ich spürte einen Luftzug, der über unseren Rücken streichelte. Das Wasser in der Pfütze bewegte sich wieder, es kräuselte sich leicht und der Himmel schaukelte zart auf seinen Wellen.

„Siehst du?“, die Worte meines Inneren Kindes erreichten mich, ohne die Stille zu unterbrechen. „Es sieht aus, als würde sich der Himmel bewegen. Als würde er vom Wind oder gar von einer Libelle bewegt werden. Aber es ist nur eine Spiegelung. In Wirklichkeit ist der Himmel unberührbar. In Wirklichkeit ist er grenzenlos, unendlich machtvoll und unterliegt nur seinem eigenen Gesetz. Was du von ihm hier in der Pfütze siehst, ist nur seine Spiegelung. Sie ist auch real, aber eben nur als eine Spiegelung.“

Dann stand mein Inneres Kind auf, ging ein paar Schritte und kam mit einem faustgroßen Stein in seiner Hand wieder.

Es legte sich wieder zu mir und ließ den Stein in die Pfütze fallen. Platsch! Das schöne Bild vom Himmel war mit einem Mal hin und ich verstand nicht, was das soll. Grade als ich etwas sagen wollte, drehte sich mein Inneres Kind auf den Rücken und zeigte in Richtung Himmel. Dort war alles, wie vorher: Die unendliche, blaue Weite, die weißen Wölkchen, auch die Sonne konnte ich sehen.

Dann war es eine Zeitlang wieder still, mein Inneres Kind sagte nichts. Ich schaute in den Himmel und dachte über all das nach. Ich ließ die Worte meines Inneren Kindes über die Spiegelung auf mich wirken und merkte, dass sich in mir eine tiefe Wahrheit regte. Eine Wahrheit, so tief, wie sie nur die Seele haben kann. Dann sprach das Göttliche Kind, die Stimme meiner Seele in mir, weiter:

Himmel Heimat Inneres Kind

„Es existiert beides gleichzeitig. Die Wahrheit und die Spiegelung.

Wie im Leben auch. Die Pfütze ist wie das Leben. Das Bild des Himmels darin ist wie das Bild, was du von dir selbst in deinem Leben siehst. Eine Spiegelung. Das, was du wirklich bist, ist jedoch der Himmel. Die Spiegelung kann von allem Möglichen berührt und bewegt werden, während deine Wirklichkeit dabei gänzlich unberührt bleibt.“

Ich glaubte langsam zu erahnen, worauf es hinaus lief. Ich dachte nach und mir fiel der Spruch „Sturm im Wasserglas“ ein. „Ja, genau“, lächelte mein Inneres Kind, der stets meine Gedanken verstand. „Was ich meine ist aber noch mehr. Ich möchte, dass du nochmal über die parallel existierenden Wirklichkeiten nachdenkst. Denn die Wahrheit ist, du kannst zwischen ihnen wählen. Du kannst wählen, welche Wirklichkeit du erlebst. Und da geht es mir nicht um diese Pfütze hier. Auch nicht um den Himmel. Es geht mir um das Leben. Denn auch im Leben können Sachen auftauchen, die den ungetrübten Zustand deines Glücks oder deines Friedens aufwirbeln, ja manchmal sogar zerstören. Wie der Stein vorhin, der in die Pfütze viel. Wenn du das für die Wirklichkeit hältst, leidest du, weil du mit deinem Blich an der Spiegelung hängst. Ja, was du da erlebst ist wahr, aber eben nur als Spiegelung. Wenn dein Blick von dem zerstörten Bild gefangen bleibt, siehst du nicht, dass der Himmel über der Pfütze unberührt ist.

Blick nach oben richten

Ich weiß, das Leben ist voller Ereignisse.

Und dabei wirst du nicht nur von graziösen Libellen oder sanften Windstößen, wie die Pfütze vorhin, berührt. Es gibt manchmal Erdbeben und heftige Stürme. Ereignisse, die in dein Leben fallen, wie ein kantiger Stein. Und gerade dann ist es wichtig, dass du mit deinem Blick nicht an dem Spiegelbild haften bleibst. Du musst aufschauen. Selbst wenn dein Herz so schwer ist, dass du deinen Blick noch nicht bis zum Himmel heben kannst, schau auf. Bleibe nicht haften. Schau dich zumindest um. Du wirst weitere Pfützen um dich herum sehen, stürmische und ruhige. Du bist mit deiner Pfütze nicht alleine. Gehe ein paar Schritte weiter. Gehe und atme. Und dann denke an deinen Himmel. Du weißt, dass er da ist, gib dich nicht mit nur der halben Wahrheit zufrieden. Du hast die Wahl, darin liegt deine Freiheit.“

Wieder musste ich nachdenken. Tief nachdenken.

Und dabei wurde mir bewusst, dass das „nicht haften bleiben“ sich auch auf die Vergangenheit beziehen kann. Auf die Kindheit, auf all die Stürme, die sich schon längst gelegt haben, aber bei denen wir vergessen haben, unseren Blick wieder zu heben. Und ja, es stimmt, wir haben die Wahl. Es erscheint uns erstmal unmöglich zu glauben, dass wir wirklich entscheiden können und noch schwerer, es auch zu tun. Aber auch das ist nur eine Spiegelung. Ein nicht reales Bild von uns selbst, das wir glauben. Es ist Gewohnheit. Zu Fleisch gewordene Gewohnheit. Aber müssen wir es deswegen so hinnehmen? Opfer bleiben? Nein, müssen wir nicht.

„Ich bin die Stimme deines Himmels“, hörte ich wieder die Worte meines Inneren Kindes. Seine Stimme war sanft, liebevoll. „Ich bin das Licht deiner Heimat“. Ich werde nach dir rufen, wenn du mal vergessen solltest deinen Blick zu heben. Aber du musst mich hören wollen. Denn meine Stimme kann nur so laut sein, wie dein Wille stark ist, die Wahrheit zu erkennen.

Die Sonne kam gerade hinter einer Wolke hervor, sie strahlte auf uns herab und zog meinen Blick auf sich. Sie war gleißend hell und mir kam es vor, als sah ich das lächelnde Gesicht meines Inneren Kindes inmitten ihres Strahlens.

Damit endete diese Begegnung mit meinem Inneren Kind.

Sie hat einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen. Ich denke immer wieder über die parallel existierenden Wirklichkeiten nach. Ich weiß, dass es so ist. Ich sehe die zwei verschiedenen Wahrheiten immer häufiger gleichzeitig, sowohl bei mir, als auch bei anderen. Und ich beobachte, wie die Gewohnheit, aber noch mehr die Maßstäbe, nach denen wir unser Leben beurteilen, uns entscheiden lassen, welche Wirklichkeit wir sehen wollen. Je nachdem, was wir für richtig und falsch halten, je nachdem welche Erwartungen wir haben.

Ich weiß für mich: Wenn es darauf ankommt, möchte ich die Wahl haben.

Ich möchte meinen Blick von der Spiegelung lösen können und ihn wieder Richtung Himmel heben. Gerade dann am meisten, wenn das Bild in der Pfütze als die einzige Realität erscheint. Ich möchte, dass mein Wille, die größere Wahrheit zu sehen, so stark ist, dass mich die Stimme meines Göttlichen Inneren Kindes laut, wie ein Donner erreicht, wenn es nötig ist.

Das Licht, die Wahrheit des Inneren Kindes
Wie geht es dir damit? Was denkst du darüber? Was ist deine Wahrheit? Ich freue mich, wenn du sie hier mit mir und mit uns teilst.

In Liebe,